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The Everest Journal

von Nassiem Al-Sheikh Februar 28, 2023 3 Minuten Lesezeit

Hier ist ein Fakt, der Sie möglicherweise überraschen wird: Es gibt keine einheitliche Definition für die Vintage Uhr. Anders als bei Autos, wo eine klare Unterscheidung zwischen Oldtimern, Youngtimern und modernen Autos gemacht wird, weiß keiner so genau, wo bei Uhren eine einheitliche Grenze ist. Ein Oldtimer muss mindestens 30 Jahre alt sein, dies ist fest definiert. Aber wie sieht es bei Uhren aus?

 

Bild: horologym (Instagram)

 

Zunächst betrachte man das englische Wort "Vintage". Laut dem deutschen Duden sei es eine "Stilrichtung in Mode und Design, bei der ältere [gebrauchte]" Gegenstände "weiterverwendet oder nachgeahmt" werden.

Nun ja, so ganz lässt sich diese Definition auf Uhren nicht applizieren. Wir finden nämlich, dass eine echte Vintage Uhr bei weitem mehr als eine Nachahmung, Hommage oder ein Reissue ist. Aber worauf kommt es dann genau an?

Zeit

Nach wie vielen Jahren ist eine Altersgrenze zu ziehen, bei der eine Uhr in Vintage-Rente geht? Sind es 30, 40, oder vielleicht 100 Jahre?

Diese Frage ist nicht allzu leicht zu beantworten. Es gibt jedoch weitere Unterteilungen. Eine davon ist die sogenannte Neo-Vintage Uhr. Dies sind meist in den 90ern produzierte Zeitmesser, die zu dieser Zeit passende Eigenheiten verkörpern. Dies kann beispielsweise ein Band mit hohlen End-Links, Tritium Leuchtmasse oder eine Aluminum-Lünette sein. 

Darüber hinaus gibt es Retro Uhren, womit vorwiegend Uhren aus den späten 1970ern bis Anfang der 1990er gemeint sind. Eine Retro Uhr ist oftmals eine verspielte oder bunte Digitaluhr.

Zudem haben Vintage Uhren gewisse zeittypische Designzüge. Damit sind beispielsweise Tauchuhren der 1960er Jahre, die TV-artige Gehäuseform vieler Uhren aus den 1970ern oder die auffälligen Two-Tone Designs der 1980er gemeint. Ist die Uhr tatsächlich in dieser Zeit produziert, so kann man diese als Vintage bezeichnen. Andernfalls ist es eine Vintage-inspirierte Uhr. 

 

Hinzu kommt, dass die Uhr zur Zeit ihrer Produktion eine gewisse Stellung in der Gesellschaft hat. Beispielsweise war eine Vintage Submariner Ref. 5513 zu ihrer Zeit völlig anders angesehen, als heute. Es war ein zuverlässiges Tauchinstrument, das als Werkzeug genutzt wurde. Die Bulova Accutron war in den späten 1960ern eine innovative Alternative zu den (damals) teuren Quarz Uhren. 

Also spielt die Zeit eine relativ große Rolle bei der Einordnung bzw. Klassifizierung einer Uhr. Aber es gibt noch einen weiteren Faktor:

 

Bauart 


Es wäre unvorstellbar, dass eine Uhrenmanufakturen wie Rolex Uhren produzieren würde, die nach technisch "veralteten" Methoden gebaut sind. Omega hingegen hat beispielsweise mit der modernen Moonwatch eine Version im Sortiment, welche ein kratzempfindliches Kunststoffglas verbaut hat. 

Aber spätestens beim Uhrwerk wird modernste Technik eingesetzt. Heutige Standards, wie eine hohe Gangreserve, Magnetresistenz und akribische Gangwerte sind eben ein wichtiger Faktor, der sich bei Luxusuhren im Preis widerspiegelt. 

Vintage Uhren hingegen haben Werke verbaut, die nicht nur mehr Handarbeit beinhalten, sondern so erst gar nicht mehr gebaut werden. Dies ist eine nur schwer reproduzierbare Eigenschaft einer Vintage Uhr. 

 

 

 

Bild: the Naked Watchmaker

 

Nicht desto trotz ist jeder Sammler individuell und sollte dementsprechend für sich selbst entscheiden, ob eine bestimmte Uhr als Vintage klassifiziert werden kann oder nicht.

Wie sieht es jedoch in der Zukunft mit Vintage Uhren aus?

Moderne Uhren sind aufgrund der verwendeten Materialien um einiges zeitbeständiger, als Vintage Uhren. Robuste Keramik-Lünetten ersetzen Aluminium-Lünetten, die mit der Zeit verblassen und eine individuelle Patina entwickeln. Die verwendete Leuchtmasse in modernen Uhren ist ebenfalls beständiger und langlebiger, als die von Vintage Uhren. Genauso das Material von Gehäuse und Band. 

Bild: mechanical_motion (Instagram)

Da kommt die Frage auf, ob viele der oben genannten Kriterien überhaupt noch auf moderne Uhren zutreffen werden. Jedoch ist die Uhrmacherei nach wie vor in stetiger Entwicklung. Möglicherweise erscheinen in den kommenden Jahrzehnten Uhren, die wiederum weiter entwickelt sind als heutige Uhren, sodass im Jahr 2060 eine Keramik-Daytona als "Vintage" angeboten wird.

Nassiem Al-Sheikh
Nassiem Al-Sheikh


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